Fünf Tipps, damit dein Welpe später nicht zum Jäger wird
Eine kurze Geschichte
„Auf keinen Fall darf er einen Jagdtrieb haben! Das ist mir das Wichtigste überhaupt.“
Mit diesem Gedanken wählte Anna ihren Welpen aus. Damit auch ja nichts schief geht, beantwortete sie brav alle Fragen eines Tests im Internet, bei dem ermittelt wurde, welche Rasse es sein muss.
Das Ergebnis war eindeutig: Ein Labrador Retriever. Familientauglich, kinderfreundlich, lauffreudig und – das WICHTIGSTE – kein Jagdtrieb.
Wenige Wochen später zog Paul ein – ein heller knuddeliger acht Wochen junger Labradorrüde. Überglücklich, endlich den Traumhund zu haben, ging Anna in die Welpenschule und trainierte fleißig mit ihrem kleinen Paul.
Zuhause lief alles gut, Paul war schnell stubenrein und schlief auch schon bald die ganze Nacht durch. Sitz und Platz waren auch kein Problem – aber unterwegs. Oh, oh – wie konnte das denn sein? Klein Paul entwickelte sich – entgegen den Vorhersagen des Internet-Tests – allmählich zum Jäger.
War Anna mit Paul alleine unterwegs, machte Paul sich meist gleich aus dem Staub. Kaum hatte er eine Spur entdeckt, ging die Nase auf den Boden und es war sehr mühsam für Anna, ihn zurückzurufen.
Ging Anna mit anderen Hundebesitzern gemeinsam, spielte ihr Paul zwei Minuten mit den anderen Hund und – schwupps – widmete er sich lieber wieder den Wildspuren.
Eine Schleppleine musste her. Ha, jetzt war Pauls Freiheitsdrang unter Kontrolle. Aber so richtig Spaß machte das irgendwie auch nicht. Denn anstatt jetzt etwas mehr mit Anna zu machen, hing Paul in der Schleppleine, wechselte permanent die Seite, wickelte Anna in die Schleppleine und die Gassigänge wurden langsam, aber sicher zum Alptraum.
Warum nur hatte Anna ausgerechnet das eine Exemplar der Rasse mit dem ausgeprägtesten Jagdtrieb aller Zeiten erwischt? 😕
Anna staunte nicht schlecht, als eine Hundetrainerin ihr mitteilte, dass ihr Hund keinen übermäßigen Jagdtrieb hat. Aber Paul war doch tatsächlich nur am Spuren suchen und wenn sich etwas bewegte, war er gleich ganz weg.
Was war passiert?
Anna hatte durch ihren Wunsch, dass sie auf keinen Fall einen „Jäger“ haben wollte, ihre ganze Aufmerksamkeit auf mögliches Jagdverhalten gelegt und so genau die Verhaltensweisen, die sie nicht haben wollte, unfreiwillig immer wieder belohnt! 😯
Damit dir das nicht auch passiert, bekommst du hier fünf Tipps, wie du es besser machen kannst.
Tipp 1: Belohne „gutes“ Verhalten
Verändere deinen Fokus. Beachte deinen Welpen unterwegs immer dann ganz besonders, wenn er sich zu dir orientiert. Gib ihm ein Leckerli, spiele mit ihm, renne ein Stück mit ihm. AUFMERKSAMKEIT in jeder Form ist eine große Belohnung, also gib sie dem Welpen dann, wenn er das richtige tut.
Die meisten Menschen nehmen „gutes“ oder „richtiges“ Verhalten als selbstverständlich hin. Das ist es aber nicht. Der Welpe unterscheidet nicht zwischen gut und böse oder richtig und falsch. Der Welpe unterscheidet nur zwischen lohnt sich für mich oder lohnt sich nicht! 😉
Und das, was sich lohnt, wird er in Zukunft immer häufiger machen.
Tipp 2: Verschwinde, wenn dein Welpe nicht auf dich achtet
Wenn dein Welpe einfach losrennt, verschwinde! Und sei STILL. Versteck dich hinter einem Busch oder Baum oder hock dich hin und mach dich so klein wie möglich. Bewege dich nicht und rufe nicht.
Beobachte deinen Welpen und wenn du merkst, dass er dich sucht und ein bisschen nervös wird, dann darfst du ihn EINMAL rufen.
Dein Welpe wird sehr schnell lernen, dass er ganz schön aufpassen muss, wo du bist.
ACHTUNG! Es kann sein, dass der Welpe in Heimatnähe einfach nach Hause läuft oder sich zu sicher fühlt. Dann fahre mit ihm ein Stück von Zuhause weg und übe dort, wo er sich nicht auskennt. Dass in der Nähe keine Straßen sein sollten, versteht sich hoffentlich von selbst!
Welpen wissen instinktiv, dass sie alleine nicht überleben können und werden dafür sorgen, dass sie nicht alleine auf der Welt sind. Sie lernen aber genauso schnell, wenn ihr Mensch immer hinter ihnen her ruft und läuft, dass sie sich nicht darum kümmern müssen, weil ihr Mensch das übernimmt.
Klar achtest du in Wirklichkeit immer auf deinen Welpen! Aber dein Welpe muss das Gefühl haben, dass du weg bist, wenn er nicht aufpasst.
Wenn dein Welpe dazu neigt, hinter Joggern, Radfahrern oder Autos herzurennen, engagiere dir ein paar nette Menschen, die für dich ein bisschen Ablenkung spielen. Dann kannst du gefahrlos üben, ohne ängstliche Menschen zu erschrecken. 🙄
Lass zum Beispiel einen Bekannten im Feld joggen und wenn dein Welpe hinterher läuft, bist du weg. Sollte der Welpe bis zum Jogger laufen, kümmert der sich gar nicht um den Welpen. Er bleibt stehen und ignoriert ihn vollkommen.
Ignorieren heißt:
- Nicht anschauen
- Nicht ansprechen
- Nicht anfassen
Ignorieren ist eine der schwierigsten Aufgaben, aber vielleicht könnt ihr das ja vorher mit einem Stofftier üben! 😉
Wenn dein Welpe bemerkt, dass du weg bist und dich sucht, rufe ihn einmal. Lobe ihn, wenn er wieder bei dir ist. Lass den Jogger so oft an euch vorbeilaufen, bis es dem Welpen langweilig wird und er gleich zu dir schaut. Jetzt hat er eine Superbelohnung verdient. Denn gutes Verhalten wird belohnt.
Tipp 3: Rufe im richtigen Moment
Es ist super, wenn du mit deinem Welpen schon das Kommen trainierst. Aber achte darauf, im „richtigen“ Moment zu rufen.
Was ist der richtige Moment? 😉 Der richtige Moment ist der, wo dein Welpe eh schon auf dich zugelaufen kommt.
Du fragst dich, warum du rufen sollst, wenn er sowieso schon kommt? 😯
Weil du dann die Orientierung in deine Richtung mit belohnst. Rufst du immer dann, wenn dein Welpe gerade von dir weg unterwegs ist, belohnst du das mit.
Und übrigens! Wenn dein Welpe dann bei dir angekommen ist, darfst du nicht nur, nein, du MUSST ihn belohnen. Je schneller dein Welpe angerast kommt, um so größer sollte die Belohnung ausfallen.
Eine kurze und knackige Anleitung zum Kommen mit Videos zum besseren Verständnis findest du HIER.
Tipp 4: Spiel die richtigen Spiele
Das wohl gängigste Spiel von Hundebesitzern ist Bällchen werfen. Was genau wird dabei trainiert?
Nun, den größten Kick hat der Hund, wenn er dabei hinter einem sich schnell bewegenden Objekt herjagt. Und was übst du da? Du errätst es schon! Das Jagen.
Darfst du jetzt nie wieder einen Ball werfen? 🙁 Doch, du darfst – aber kontrolliert! Übe mit deinem Welpen, dass er sich setzt und sitzen bleibt, wenn du wirfst. Es kann sein, dass du ihn anfangs festhalten muss. Aber er wird das sehr schnell lernen. Ist er brav sitzen geblieben, darf er den Ball holen. Und weißt du, was die Belohnung für diese tolle Sequenz sein kann? Du wirfst den Ball und lässt deinen Welpen einfach laufen!
Eine andere gute Übung ist, den Welpen auch mal zu rufen, wenn er hinter dem Ball her rennt. Das solltest du nicht zu oft machen, aber ab und zu schadet das nicht. Dafür brauchst du eine Hilfsperson, die den Ball schnell wegnimmt, falls dein Welpe weiter gelaufen ist.
Fange damit an, dass die Hilfsperson den Ball nur langsam kullert. Dann ist es nicht so schwierig. Dann wirft die Hilfsperson den Ball etwas schneller. Dann kannst du den Ball mal in Richtung Hilfsperson kullern. Je früher im Laufen du rufst, um so einfacher ist es. Mach es immer so einfach, dass dein Welpe es schaffen kann.
Wenn er doch zum Ball läuft, nimmt die Hilfsperson den Ball kommentarlos auf, dreht sich weg und ignoriert den Welpen komplett. Kommt dein Welpe dann zu dir, kann das Spiel von vorne beginnen.
Es gibt aber außer Bällchen werfen noch jede Menge andere tolle Spiele für Welpen. Angefangen bei Leckerli suchen bis hin zum Üben von kleinen Tricks hast du Möglichkeiten ohne Ende.
Tipp 5: Mach dich nicht verrückt
Nicht jedes Schnuppern, nicht jeder Fünfmetersprint, nicht jedes Interesse an einer Katze, die weg läuft ist ein Hinweis darauf, dass du einen Jäger hast. Also bleib auf dem Teppich. 😉
- Schnuppern ist normal.
- Mal ein Stück einer Spur folgen ist nicht schlimm
- Hinter einem Reh herzuschauen ist kein Beinbruch
- Auf ein Feld zu rasen und ein paar Vögel zu jagen heißt nicht, dass jetzt alles zu spät ist
- Mal so richtig zu rennen und Kreise zu drehen macht Spaß
- …
Was ich damit sagen möchte: Ein Hund ist ein Hund ist ein Hund. Und er ist ein Nasentier. Im Gegensatz zu uns Menschen. Er nimmt den größten Teil aller Informationen über die Nase auf. Deshalb wird er aber nicht gleich zum Jäger, wenn er mal ein paar Meter einer Spur folgt. Wenn du die anderen vier Tipps beherzigst, hat dein Welpe gar nicht soviel Zeit, zu verschwinden oder sich länger solchen Dingen zu widmen, weil er darauf achten muss, wo du bist.
Nur eines solltest du – gerade in der Junghundphase – nicht tun. Mit einem anderen Hund spazieren gehen, der jagen geht. Denn dann hast du leider gute Karten, dass dein Hund da mitmacht und Gefallen dran findet.
Ein Beispiel aus dem Alltag
So sieht es meistens aus
Der Welpe sieht einen Radfahrer und schaut dich an. Das ist genau das Verhalten, was du möchtest. Nach dem Motto „Nichts gesagt ist genug gelobt“ passiert nix. Du reagierst nicht, denn es war ja alles okay.
Dann kommt ein Jogger. Dein Welpe dreht sich zum Jogger und rennt hinter ihm her. Du rufst ihn natürlich sofort zu dir und belohnst ihn, weil er tatsächlich brav gekommen ist. Leider hat der Welpe aber nicht nur gelernt, dass es sich lohnt zu dir zu kommen. Er hat außerdem noch gelernt, dass es sich lohnt, hinter einem Jogger herzulaufen. Denn damit kann er auslösen, dass du rufst. Und dann gibt es eine Belohnung! Ups, das wolltest du doch gar nicht.
Beachte die vier Tipps und mach es besser
Wie kannst du es besser machen? Wie gesagt, belohne gutes Verhalten. Dein Welpe sieht etwas und schaut zu dir. Super, das gibt eine dicke Belohnung!
Dein Welpe jagt hinter etwas her. Schwupps, du bist verschwunden und er steht alleine auf der Welt. Das ist sehr unangenehm für den Kleinen. Wenn es kein Versteck gibt, hock dich einfach hin und bleib ganz still sitzen. Und sei STILL.
Beobachte deinen Welpen. Erst, wenn du merkst, dass er dich von alleine nicht findet und etwas orientierungslos ist oder panisch wird, darfst du EINMAL rufen. Und wenn er dann erleichtert zu dir gerast kommt, darfst du dich natürlich riesig freuen und ihn belohnen.
Und – ganz wichtig: Wenn er es beim nächsten Mal so macht, wie du es gerne hättest, bemerke es und belohne ihn.
Fazit
Wenn du diese vier Tipps beherzigst, hast du schon die halbe Miete. Sollte dein Hund tatsächlich zu denen gehören, die mit etwas mehr Jagdleidenschaft ausgestattet sind, suche dir einen guten Hundetrainer. Auch dann ist nicht alles verloren. Es ist nur ein bisschen mehr Aufwand. 😉
Hast du einen jagdlich motivierten Hund? Was hast du dagegen getan? Ich freue mich auf spannende Kommentare.
Hallo,
Ich habe auch stets Tipp 2 verwendet und hatte damit guten Erfolg. Heute kann ich mit meinem Berner problemlos ohne Leine im Wald spazieren gehen.
Lg
Was tun, wen der Welpe meine Katzen jagd, die auch im Haus und Hof leben?
LG Katrin
An die Leine nehmen und ein Alternativ-Verhalten trainieren
Hallo,
ich habe einen inzwischen 5 Monate alten Schäferhund. Ich habe viele Ihrer Tips angewendet und bis jetzt keine Probleme mit der Erziehung gehabt. Herkommen hat bis jetzt super geklappt, Blickkontakt wurde von mir immer bestätigt. Jetzt erwacht aber der Jagdtrieb und er jagt Vögel, Fliegen, Schmetterlinge. Leider vergisst er dann alles um sich herum. Er entfernt sich sehr weit und jagt lange hinterher. Verstecken ist mir dann leider zu gefährlich, da er sich ja nicht mehr für mich interessiert. Ich habe angefangen mit einem Futterdummy zu arbeiten, wo er in der Wohnung auch begeistert mitmacht, aber draussen, wenn was vorbei fliegt, ist es auch nicht mehr so interessant. Wie kann ich dieses Jagen auf nette Weise unterbinden?
Eine Schleppleine ist ein fantastisches Hilfsmittel.
Warum soll er sich draußen um den Futterbeutel kümmern, wenn er weiß, dass er den Zuhause sowieso bekommt.
Hallo,
mein Hund ist jetzt 7 Monate. Er ist ein Podenco Mischling. Tja, jetzt bin ich verzweifelt. Ja, Podencos jagen. Aber wie! Das Problem, der Hund darf sich in unserem Garten frei bewegen und dort sitzen wirklich VIELE Vögel. Er hat jetzt in 2 Tagen den 4. Vogel erlegt und ich bin überfordert wie ich damit umgehen soll! Ich weiß, dass jeder Fang ihn weiter anstacheln wird, es wieder zu tun. Was mache ich jetzt am besten? Wie verhalte ich mich am Besten, wenn der Hund einen Vogel hat (er frisst sie nicht), und wie halte ich ihn davon ab, die Vögel zu jagen? Denn er verletzt sie leider immer wieder.