Heute bekam ich eine Mail, in der eine Dame die 30-Tage-Geld-zurück-Garantie von meinem Traumhund-Generator in Anspruch genommen hat. Man muss zwar keinen Grund angeben, aber die Dame war so nett, mir ihren Grund mitzuteilen, der da lautete:
„Ich habe jetzt eine Trainerin gefunden, da wird ohne Worte gearbeitet. Das sagt mir mehr zu.“
Braucht man beim Training mit positiver Verstärkung Worte?
Das brachte mich zum Nachdenken. Ich sage meistens nichts bei meinem Training außer meinem Lobwort und eventuell gebe ich noch ein Signal. Das Signal kann ein Wort, aber auch ein Sichtzeichen sein.
Sogar den Rückruf mache ich persönlich ganz ohne Worte: Da verwende ich nämlich eine Pfeife.
Wenn ich einen Clicker verwende, sage ich gar nichts. Denn dann brauche ich ja mein Lobwort nicht.
Bei einem tauben Hund verwende ich statt des Clickers ein Sichtzeichen als sekundären Verstärker, denn der hört den Clicker ja eh nicht. Und bei einem tauben Hund verwende ich selbstverständlich auch Sichtzeichen als Signale.
Also ganz ohne Worte!
Und da ich ja jedem immer die Wahl überlasse, welche Signale er verwendet und ob er einen Clicker oder ein Lobwort verwendet und das nicht vorschreibe, ist diese Begründung aus meiner Sicht nicht wirklich eine Begründung.
Man braucht also definitiv beim Training mit positiver Verstärkung keine Worte. Und kann sie wunderbar auch bei tauben Hunden anwenden, wo Worte tatsächlich sowieso keine Wirkung haben.
Da frage ich mich, ob die Dame tatsächlich Training ohne Worte meint. Aber ich weiß es natürlich nicht.
Lernen Hunde die Worte überhaupt?
Oft wird argumentiert, dass Hunde das viel besser verstehen, wenn man mit Körpersprache arbeitet.
Ja, ganz ehrlich, ich denke auch, dass viele Hunde überhaupt nicht die Worte lernen, von denen die Menschen gedacht haben, dass sie die ihnen beigebracht haben. Ich gehe davon aus, dass unsere Hunde, die tatsächlich Weltmeister im Lesen von Körpersprache sind, in Wirklichkeit ganz oft anhand unserer – unbewussten!!! – Körpersignale wissen, was sie tun sollen.
Das fällt immer dann auf, wenn sich mal etwas ändert. Wenn z.B. ein anderer Mensch das Wort sagt. Oder wenn der Mensch nicht zu sehen ist, weil er hinter der Tür ist. Oder vielleicht steht er auch einfach nur mit dem Rücken zum Hund oder trägt einen Karton.
Und schon hat der Hund keine Ahnung, was das Wörtchen „Platz“ bedeutet.
Wenn der Hund es „kann“, tut er es
Wir oft habe ich dann schon den Spruch gehört: „Der weiß genau, was ich will. Der hat nur gerade keine Lust oder ist stur…“ oder etwas in der Art.
Ich bin davon überzeugt, wenn ich etwas wirklich mit positiver Verstärkung trainiert habe und der Hund es KANN, dann tut er es auch. Dazu muss er aber wissen, was er tun soll. Und wenn er es nicht tut, bin ich immer dafür: Im Zweifel für den Angeklagten.
Ich überlege mir dann, was in dieser Situation anders ist und was dazu geführt haben könnte, dass mein Hund ein Verhalten auf ein Signal hin nicht zeigt, von dem ich gedacht habe, dass er es KANN.
Und dann fällt mir vielleicht auf, dass ich den Hund bis jetzt immer angeschaut habe, wenn ich das Wort gesagt habe. Oder mir wird klar, dass ich das Wort noch nie mit einer Einkaufstasche in jeder Hand gesagt habe. Vielleicht habe ich es auch noch nie in dieser Umgebung abgefragt. Es können also eine ganze Menge verschiedener Faktoren die Ursache sein, warum mein Hund es nicht tut.
Sei immer fair
Deshalb an dieser Stelle meine Bitte an dich: Wenn dein Hund ein Verhalten auf ein Signal hin nicht zeigt, denke nach. Überlege, was du trainiert hast. Überprüfe, wenn du einen Verdacht hast, woran es liegen könnte, ob es tatsächlich daran liegt.
- Macht er es auch, wenn du in die Luft guckst?
- Macht er es auch, wenn du hinter der Tür stehst?
- Macht er es auch, wenn du einen Karton trägst?
- Macht er es auch, wenn du auf dem Boden liegst?
- Macht es es auch im (nassen) Gras, auf Asphalt oder auf Schotter oder in der Pfütze?
- …
Hast du das wirklich alles geübt und hinterfragt, was dein Hund wirklich gelernt hat?
Okay, ich gebe zu. Ich bin ein bisschen abgeschweift. Aber ich finde das wichtig. Einfach, weil man beim kritisch hinterfragen merkt, dass Hunde ganz häufig überhaupt keine Wortsignale gelernt haben, sondern auf ganz andere Dinge achten, wie z.B. ein Augenbrauenhochziehen oder eine Mundbewegung oder auch eine kleine Kopfbewegung. Und das Verhalten nicht mehr „KÖNNEN“, wenn dieses Signal fehlt.
Vielleicht haben sie auch eine Kombination aus Wort und Körpersprache gelernt. Fragen können wir unsere Hund nur, indem wir selbst uns Situationen basteln, in denen wir das überprüfen können. Zieh doch mal eine Mütze komplett über den Kopf oder einen Hut tief ins Gesicht und probiere aus, welche Signale noch funktionieren.
Halte deinen Hände mal hoch über dem Kopf oder hinter dem Rücken oder fuchtel die ganze Zeit unkontrolliert damit herum. Was „kann“ dein Hund jetzt noch?
Spannend, oder?
Warum ich trotzdem gerne mit Worten arbeite
Ich trainiere trotzdem gerne mit Worten!!! – Warum????
Weil ich ein Mensch bin. Und wir Menschen sind so „Wort-Tierchen“! Sprache ist einfach unser Ding. Und da unsere Hunde keine Wildtiere sind und schon lange mit uns Quasselstrippen zusammenleben, haben sie durchaus gelernt, dass Worte für uns wichtig sind.
Und ja – natürlich können Hunde auch Worte lernen.
Und ja – ganz ehrlich: Bei manchen Verhalten finde ich Worte manchmal ganz schön praktisch. Ich möchte gerne meinen Hund auch mal warten oder sitzen oder sich legen lassen können, wenn ich in beiden Händen etwas trage oder mich komisch bewege, weil ich die Hände voll habe und dabei noch eine Tür öffnen möchte.
Andererseits ist es auch nett, wenn sie auf ein kleines Sichtzeichen hin etwas machen. Denn es könnte ja auch mal laut sein und ich möchte nicht brüllen oder es ist ganz leise und ich möchte nicht stören.
Und dann ist da noch das Ding mit der FREUDE über die Stimme des Menschen. Wenn ich total begeistert bin, wenn einer meiner Hunde etwas toll gemacht hat und mich entsprechend freue und wirklich von Herzen lobe, dann finden meine Hunde das toll. Für sie ist das tatsächlich eine Belohnung.
Und warum sollte ich MIR das verbieten!?!?
Was heißt also Training OHNE Worte?
Wenn damit gemeint ist, dass man nur Sichtzeichen verwenden darf, ist das aus meiner Sicht zwar eine enorme Selbstbehinderung, aber okay.
Wenn damit gemeint ist, dass man zwar Signale geben, aber nicht loben darf, finde ich das okay, solange man direkt belohnt oder eine Alternative zum Lobwort verwendet. Beispiel Einladende Handbewegung, stehen bleiben, loslaufen, etc.
Wenn damit gemeint ist, dass man den Hund in Fehler rennen lässt und ihn dann mit bedrohlicher Körpersprache davon abhält, halte ich davon gar nichts und es ist nicht mein Ding. Denn das ist Training mit Strafe und nichts anderes. Das Gleiche gilt für in den Weg stellen, „kschen“ (ist das kein Wort?) und ähnliches.
Leider ist der letzte Punkt häufig das, was mit Training OHNE Worte gemeint ist, was ich sehr schade finde.
Aber Hunde untereinander machen das auch so
Ganz ehrlich: Ich bin absolut davon überzeugt, dass unsere Hunde wissen, dass wir keine Hunde sind. Echt. Ich traue ihnen absolut zu, dass sie einen Menschen von einem Hund unterscheiden können.
Und dann habe ich auch noch nie gesehen, dass ein Hund von einem anderen sitz, platz, fuss verlangt hat oder mit ihm geübt hat, an lockerer Leine zu laufen. Das sind ja Dinge, die wir Menschen uns ausgedacht haben. Deshalb ist aus meiner Sicht das Training überhaupt nicht vergleichbar mit dem Verhalten von Hunden untereinander.
Ach ja, hinzu kommt auch noch unsere extrem mangelhafte Fähigkeit, die Körpersprache des Hundes schnell und richtig zu erfassen. Gepaart mit extrem schlechtem Timing werden wir es niemals schaffen, so wie Hunde zu reagieren. Wer mal einen wirklich souveränen Hund hat agieren sehen, weiß, was ich meine. Der hat die Situation so elegant und schnell beendet, dass sie gar nicht erst startet. 😉
Ein letztes noch: Ich bin jetzt seit 20 Jahren Mehrhundehalter und führe eine Hundepension mit Rudelhaltung. Ich habe noch NIE einen Hund „kschen“ gehört. Und ich konnte auch nie beobachten, dass ein Hund einen anderen in den Solar Plexus tritt. Stranguliert hat bei mir auch noch kein Hund einen anderen.
Tatsächlich bekommen sich schon mal Hunde in die Wolle. Und tatsächlich kommt es auch mal zu Beißereien. Aber erstens ist das selten und zweitens sind das nicht die souveränen Tiere. Die haben das nämlich nicht nötig.
Die meisten Hunde gehen Streitereien aus dem Weg. Sie greifen nicht an und sind froh, wenn sie nicht angegriffen werden. Mal einem anderen mit einem Lefzenzieher oder auch einem Knurren oder Abschnappen zu sagen: „Bis hierhin und nicht weiter!“ ist ja völlig okay. Ein sozialisierter Hund versteht das und lässt es dann auch.
Erziehung mit Kommunikation anstatt Konditionierung
So wird für das Training ohne Worte ja auch häufig geworben.
Da braucht man doch eigentlich nur mal die beiden Begriffe Kommunikation und Konditionierung bei Wikipedia zu googlen und erkennt sofort: Der Satz ist an sich schon schwachsinning.
Kommunikation findet immer statt. Egal, ob ich ohne oder mit Worte oder mit Belohnung oder Strafe arbeite.
Das gleiche gilt für Konditionierung: Das Tier lernt doch immer etwas. Also wird etwas konditioniert. Nur eben auf die ein oder andere Art und Weise.
Training ohne Worte mit positiver Verstärkung gerne
Training ohne Worte kann richtig toll sein. Wir machen von Zeit zu Zeit mal ein Hundestunde, in der niemand etwas sagen darf. Das ist immer sehr spannend. Die Hunde sind meist extrem aufmerksam – viel aufmerksamer als sonst.
Und sie können (fast) alles, was sie mit Worten können, manchmal können sie es viel besser. 🙂
Ich hoffe, ich konnte dich ein wenig für das Thema sensibilisieren. Und beim nächsten Mal, wenn du auf so jemanden triffst, kannst du ja mal kritisch nachfragen. Auch das ist sehr spannend.
Claudia
P.S.: Übrigens habe ich auch eine Episode vom Traumhund-Bistro diesem Thema gewidmet:
Finde ich toll, darüber mal nachzudenken. Das beantwortet einige Fragen, die ich in den letzten Tagen hatte. Vielen Dank, dass du ein Stück deines Urlaubs teilst und vielen Dank für die Antworten!!