Warum Strafen gefährlich sind
Bis vor wenigen Jahren war es fast „normal“, dass bei der Hundeerziehung mehr oder weniger Gewalt in verschiedenster Form verwendet wurde. Zum Glück ändert sich das in den letzten Jahren und immer mehr Hundeschulen bieten ein gutes Hundetraining über positive Verstärkung an.
Was ist überhaupt eine Strafe?
Schon bei der Definition von Strafe scheiden sich die Geister. Für die einen ist es eine Strafe, wenn der Mensch nur mal kurz die Stimme erhebt, für den anderen ist es nicht mal eine Strafe, wenn der Hund am Stachelhalsband geführt wird.
Bei Wikipedia wird Strafe folgendermaßen definiert:
„Die Strafe ist eine Sanktion gegenüber einem bestimmten Verhalten, das in der Regel vom Erziehenden oder Vorgesetzten als Unrecht bzw. als (in der Situation) unangemessen qualifiziert wird. …“
So wird Strafe auch bei der Hundeerziehung noch häufig verwendet. Der Hund tut aus Sicht seines Halters etwas Unangemessenes und wird dafür bestraft, z.B. durch Anschreien, Leinenruck, Herunterdrücken oder oder oder….
Was ist das Ziel von Strafe?
Die Strafe soll bewirken, dass der Hund das Verhalten nicht mehr zeigt, am besten gar nicht mehr. Leider wird dieses Ziel in der Regel aber nicht erreicht.
Hier ein paar Beispiele:
- Der Hund kommt auch nach der dritten Tracht Prügel nicht schneller, wenn er gerufen wird.
- Der Hund zieht auch nach dem 500sten Leinenruck noch, meist sogar mit Stachelhalsband.
- Der Hund klaut immer noch Essen vom Tisch – zumindest, wenn sein Mensch nicht in der Nähe ist.
- Der Hund bellt immer noch den Passanten an, obwohl sein Mensch ihn anschreit, wenn er das tut.
Bestenfalls wird mit Strafe eine kurze Unterbrechung des unerwünschten Verhaltens erreicht, aber es wird kein Alternativverhalten trainiert. Damit wird das Ziel der Strafe meist nicht erreicht!
Warum ist Strafe gefährlich?
Dummerweise kann Strafe aber gewaltig „nach hinten losgehen“. Ich kenne einige Hundebesitzer, die von ihrem Hund gebissen wurden, weil der irgendwann mal die Schnauze voll hatte. 😉
Wird nur der eigene Mensch gebissen, finde ich persönlich das nicht allzu schlimm, denn der hat es ja verdient. Leider kann es dann passieren, dass der „böse“ Hund eingeschläfert wird. Oder es werden Menschen verletzt, die gar nichts mit dem Hund zu tun haben.
Schauen wir uns das mal etwas genauer an.
Was lernt der Hund beim Strafen?
Ehrlich gesagt, weiß man das immer nicht so ganz genau. Hunde verknüpfen Dinge miteinander, die unmittelbar hintereinander passieren.
Ein Beispiel: Dein Welpe hat sein Geschäft in der Wohnung erledigt. Du schreist ihn an und gibst ihm einen Klaps. Was hat dein Welpe gelernt? Bist du sicher, dass er gelernt hat, nicht in die Wohnung zu machen? Oder hat er vielleicht gelernt, dass es gefährlich ist, wenn du dich näherst? Möglicherweise hat er aber auch gelernt, dass es gefährlich ist, sich in deiner Nähe zu lösen!?! Eventuell denkt er, dass die Stelle gefährlich ist! Oder – noch schlimmer – du kommst erst dazu, als es schon passiert ist und dein Welpe macht gerade ganz brav „Sitz“. Und du wunderst dich später, warum dein Welpe nicht mehr sitzen will! 😯
Das Problem ist! Du weißt es nicht!!! 🙁
Du hast keine Kontrolle darüber, wie genau dein Welpe die Strafe verknüpft.
Vertrauensverlust durch Strafe
Der zweite Punkt ist: Wie glaubst du, wirkst du in dem Moment auf deinen Welpen? Kommst du ihm vor wie jemand, auf den er sich verlassen kann? Zu dem er Vertrauen haben kann? Oder wirkt dein Verhalten auf den Welpen eher unberechenbar? Wird es ihn veranlassen, in Zukunft etwas zurückhaltender zu sein, wenn du in der Nähe bist. Viele Hundetrainer arbeiten leider genau mit diesem Effekt, von Vertrauen und hundegerechter Kommunikation darf man dann aber nicht sprechen. 🙁
Durch Strafen verliert der Welpe das Vertrauen zu dir!!!!
Es entsteht ein noch weniger erwünschtes Verhalten
Durch Strafe wird dem Welpen nicht gezeigt, was er statt dessen tun soll. Wenn er im obigen Beispiel verknüpft hat, dass es in deiner Anwesenheit gefährlich ist, sein Geschäft zu erledigen, kann es passieren, dass er sich in Zukunft eine „ruhige Ecke“ sucht. Das war bestimmt nicht das, was du erreichen wolltest. Jetzt erwischt du ihn nicht mehr in flagranti, sondern findest die Bescherungen irgendwann später. Meist entsteht genau daraus ein Teufelskreislauf. 🙁
Merke dir! Durch Strafen entstehen oft Verhaltensweisen, die wirklich unangenehm sind.
Nur kurze Erfolge durch Strafe
Es kann durchaus sein, dass der Welpe sein Verhalten unterbricht und du dich zunächst mal bestätigt fühlst, denn es hat ja geklappt. Meist ist die Freude aber nur von kurzer Dauer, denn bei nächster Gelegenheit zeigt der Welpe das Verhalten doch wieder.
Ein „schönes“ Beispiel dafür ist das Ziehen an der Leine und der Leinenruck. In dem Moment, wo der Mensch an der Leine ruckt, lässt das Ziehen für einen Augenblick nach. Dadurch fühlt sich der Mensch bestätigt. (Ja, wir Menschen gehorchen auch den Lerngesetzen 😉 ). Und so rucken und zerren viele Hundehalter ihren Hund jahrelang erfolglos, weil die sofort wieder nach vorne preschen. 🙁
Das Dumme daran ist, dass diese Rucke sehr ungesund für Kehlkopf und Halswirbelsäule des Hundes sind. Und das Traurige dabei, dass der Hund gar keine Chance bekommt, zu lernen vernünftig an der Leine zu laufen. 😳
Strafe kann zu Belohnung werden
Es kommt auch vor, dass manche Hundebesitzer ihren Hund unabsichtlich mit der Strafe belohnen, weil diese aus Hundesicht gar keine Strafe ist. Für viele Hunde ist Aufmerksamkeit in Form von Schimpfen oder Schreien besser als gar keine Aufmerksamkeit.
Und dann hat die Strafe den Effekt, dass das Verhalten immer häufiger und intensiver gezeigt wird. Der Hund fühlt sich nämlich nicht bestraft, sondern belohnt! 😯
Erlernte Hilflosigkeit durch Strafe
Es kommt noch ein weiterer Punkt hinzu. Wenn ein Lebewesen ständig mit Nein, Pfui, Aus, etc. von seinem Tun abgehalten wird, wagt es sich irgendwann nicht mehr, etwas auszuprobieren. Solche Tiere können in der Regel keine Probleme mehr selbständig lösen. Man nennt das erlernte Hilflosigkeit.
Da so ein Lebewesen mit der Zeit das Gefühl bekommt, dass es egal ist, was es tut – es kriegt sowieso immer „eins aufs Dach“ – macht es lieber nichts mehr. Das sich so ein Tier nicht wohl fühlt, erklärt sich von selbst.
Aber es funktioniert doch anscheinend immer mal wieder
Trainer, die mit solchen Methoden arbeiten und das sehr gut können, erzielen damit Erfolge. Dazu ist es aber erforderlich, dass ein unerwünschtes Verhalten
- beim ersten Auftreten bestraft wird,
- jedes Mal bestraft wird,
- sofort bestraft wird, wenn es auftritt und
- hart genug bestraft wird, so dass der Hund damit auch sofort aufhört.
Und selbst, wenn das alles gewährleistet ist, bleiben die Nebenwirkungen von Strafe (Vertrauensverlust, erlernte Hilflosigkeit, Unsicherheit, Fehlverknüpfungen, etc.) trotzdem bestehen.
Verstehst du jetzt, warum Strafen keinen Sinn machen?
Es geht auch anders!
Zum Glück gibt es tolle Alternativen. Die machen nicht nur Spaß, sondern dabei ist es auch nicht so schlimm, wenn mal das Timing nicht stimmt. Vielleicht dauert das Training manchmal etwas länger, dafür ist der Hund dann aber auch keine Zeitbombe, die sich vielleicht irgendwann mal an einem anderen unschuldigen Lebewesen „rächt“.
Wenn du mehr über freundliches Training wissen möchtest, stöber auf meiner Seite, trag dich in den Newsletter ein und bekomme immer wieder neue interessante Informationen über diese Art des Trainings.
Gerne darfst du deine Erfahrungen mitteilen.
liebe claudia, das hast du toll beschrieben. liebe grüße, anne
Danke, Anne 🙂
Und was ist ein alternativ programm bei zb unerwünschtem bellen?
Das kommt darauf an, in welchen Situationen dein Hund bellt und was du dir statt dessen wünscht.
Super vielen Dank. Erscheint mir alles sehr logisch. Hasse es nämlich unsere 11 Wochen alte Schäferhundtochter zu bestrafen und an der Leine zu ziehen wenn sie nicht Gassi zehn will. Oder dass Ruckziehen ist schrecklich.
Was sollte man tun wenn sie manchmal fremde Kinder anknurrt obwohl wir auch welche haben die auch Feuer im Hintern haben?
Und wenn sie andere Hunde extrem anbellt und krummelt wenn man so etwas nicht will?
Lies mal hier zum Thema Knurren und hier zum Thema Begegnungen.
Hallo. Ich hab mal ne Frage
Jetzt wo ich das lese blutet mein Herz richtig, ich habe einen ca 6 Monate alten Welpen, dieser meinte meinen Freund einfach so in die Wade zu beißen wenns ihm passt, und er sitzt dabei ganz normal am Pc oder vorm Fernseher, nicht mal 1sec später kam er in seine Hundebox wo er für 2Min drin war, alleine versteht sich, es ist jetzt kein schlagen das ginge gar nicht, aber allein das jaulen tat mir mega leid, aber eine Frage, erklär mir wie ich ihm denn soetwas bitte mit pos Verstärkung abgewöhnen soll, denn mein Freund hat ihm NIE etwas getan, kein schreien usw und dann meint er, er könne in die Wade meines Freundes beißen einfach so?, nein natürlich nicht, also was kann ich machen, sag es mir und ich mach es sofort. Lg Jessy mit Säm Schäfermix 6 Monate
ach übrigens mein Freund wohnt bei mir, ist also immer da.
Kein Hund beißt einfach so in die Wade. Um da konkret raten zu können, müsste man viel mehr wissen. Da kann ich wirklich nur raten, einen Hundetrainer vor Ort zu engagieren, der so arbeitet. Der kann sich das anschauen und dir sagen, wie du es machen kannst.