Kann man auch einen Beagle erziehen?
Gibt es schwer erziehbare Rassen?
Oft höre ich von Hundebesitzern, deren Hunde eher nicht so gut gehorchen: „Das ist ein Terrier. Die haben ja ihren eigenen Kopf!“ oder „Beagle kann man nicht erziehen!“ oder „Das ist ein Dackel und der hört halt auch wie ein Dackel, die sind ja schwer erziehbar!“
Gerne wird auch die Rasse vorgeschoben um damit einen nicht so netten Umgang zu rechtfertigen. „Das ist ein Rottweiler, da muss man hart durchgreifen!“ oder „Das ist ein Schäferhund, dem muss man jeden Tag zeigen, wer der Chef ist, sonst tanzt der einem auf der Nase herum.“
Sind das nur Ausreden oder gibt es tatsächlich Unterschiede bei der Erziehung von Hunden? Und ist das schon bei Welpen so oder entsteht das erst bei erwachsenen Hunden?
Können Beagle nicht lernen?
Wissenschaftler haben das Lernen von Tieren – auch Hunden – inzwischen schon sehr intensiv untersucht. Und bekanntlich werden – auch wenn es traurig ist, dass es so etwas überhaupt gibt – Beagle sehr gerne als Laborhunde verwendet. Inzwischen wird dort häufig mit positiver Verstärkung gearbeitet. Und die Hunde lernen z.B. ihren Vorderlauf hinzuhalten zum Blut abnehmen oder das Hinterteil hinzustrecken um eine Spritze abzuholen. Dabei sind die Hunde fröhlich und entspannt.
Versteht mich bitte nicht falsch! Ich bin nicht für Versuchstiere. Aber wenn wir so etwas haben, dann ist es doch auf jeden Fall besser, mit den Tieren auf nette Art umzugehen als einfach „Maulkorb drauf und durch“, oder?
Als Beispiel zitiere ich das hier auch nur deshalb, weil es dann für mich nicht einleuchtend ist, warum ein Beagle, wenn er lernen kann, sich entspannt Blut abnehmen zu lassen, nicht Sitz, Platz oder Komm lernen soll! Dafür ist er dann zu stur oder zu eigensinnig?
Oder liegt es etwa doch am anderen Ende der Leine und den Methoden?
Mit Belohnungen zum Ziel?
Viele Menschen bezweifeln nach wie vor, dass man nur über positive Verstärkung – also durch das Belohnen des richtigen Verhaltens – zum Ziel kommt. Es kommen immer sehr viele ABER. Ich hatte bereits erklärt, wie ein Welpe lernt, du kannst das HIER nochmals nachlesen.
Die Tiere in den Versuchslaboratorien oder auch Zootiere zeigen sehr schön, dass man mit dieser Methode sogar „wilde“ – also nicht domestizierte – Tiere trainieren kann. Da drücken Elefanten sich an den Zaun und holen sich ihre Spritze ab oder reißen das Maul auf um ihre Medizin zu fangen. Da gehen Löwen auf ein Signal in ein anderes Gehege, so dass das bis dahin benutzte gesäubert werden kann. Es gibt inzwischen unzählige Beispiele für das Training mit positiver Verstärkung.
Und ausgerechnet bei einem Hund soll das nicht funktionieren, weil er einer bestimmten Rasse angehört? Nun ja, ich wage es zu bezweifeln. 😉
Aber wenn mein Welpe etwas tut, was ich nicht möchte…
…muss ich ihn doch bestrafen, sonst weiß er ja nicht, dass er etwas falsch gemacht hat. Lernen funktioniert natürlich auch über Strafe. Auch das ist lerntheoretisch bewiesen. Leider können Strafen sehr unangenehme Nebenwirkungen haben. Welche das sind, kannst du HIER nachlesen.
Du könntest – anstatt deinen Welpen zu bestrafen – überlegen, wie du ihn mit Management von unerlaubten Dingen abhalten könntest (z.B. Schuhe und Spielsachen der Kinder wegräumen) und/oder was für Alternativen du mit ihm üben könntest (z.B. mach brav SITZ anstatt am Besucher hochzuspringen). Und schon bist du wieder bei der Belohnungsschiene. Und siehe da: Es funktioniert. 🙂
Rassebedingte Unterschiede
Aber es sind doch nicht alle Rassen gleich! Natürlich sind nicht alle Rassen gleich – es ist nicht mal ein Hund der gleichen Rasse genau wie der andere. Da gibt es Retriever, die nichts tragen und nicht ins Wasser gehen. Es gibt Terrier, die den Schwanz einziehen, wenn ihnen eine Ratte begegnet und Neufundländer, die jagen wie der Teufel.
Trotzdem gelten die Lerngesetze. Also lernt jeder Hund das, was sich für ihn aus seiner Sicht lohnt. Dass es für den einen Hund lohnenswerter ist zu rennen und für den anderen die absolute Krönung, sich gemütlich auf Frauchens Schoss zusammenzurollen, kann man ja nutzen.
Wenn ein Hund lieber spielt als Leckerli nimmt, dann spielt man eben als Belohnung. Wo genau ist das Problem?
Die verschiedenen Interessen ausnutzen
Anstatt sich darüber zu beschweren, dass der Welpe seine Nase immer auf dem Boden hat, kann man doch das Schnüffeln als Belohnung einsetzen. Den Hund etwas für den Menschen tun lassen und ihm dann etwas erlauben, was seine Leidenschaft ist, wird dafür sorgen, dass er ersteres in Zukunft auch gerne tut.
Der Mensch sollte lernen, den Hund mit dem zu belohnen, was er gerne hat. Natürlich möchte ich dich hier jetzt nicht dazu auffordern, deinen Hund einfach jagen zu lassen. Aber wenn er als Belohnung für sein Zurückkommen ein Stück mit dir gemeinsam rennen darf, ist das in dem Moment vielleicht die bessere Belohnung als ein langweiliges Stück Trockenfutter.
Oder wenn der Beagle zur Belohnung, dass er brav neben dir gesessen und gewartet hat, bis der Hase außer Sicht war, an der langen Leine ein Stück „fährten“ – also der Spur folgen – darf, ist das für ihn sicher eine tolle Sache.
Aber bring ich ihm dann nicht erst das Verhalten bei?
Muss man einem Beagle beibringen, die Nase herunterzunehmen und einer Spur zu folgen? Die ich kennenlernen durfte, konnten das alle von alleine. 😉
Muss ich einem Retriever das Schwimmen beibringen? Die meisten Retrieverbesitzer sind eher damit beschäftigt, ihre Retriever davon abzuhalten bei jeder Temperatur jedes Wasser aufzusuchen.
Muss man einem Hovawart beibringen, sein Zuhause zu bewachen? Spätestens, wenn er erwachsen ist, macht er das von alleine.
Zusammenfassend heißt das: Ein Verhalten, das über Jahrzehnte und viele Generationen gezüchtet wurde, muss ich nicht trainieren. Der Hund kann das. Und hat oft auch das Bedürfnis, es zu machen. Ich kann aber das Wissen um die Bedürfnisse eines Hundes zu meinem Vorteil beim Training ausnutzen, indem ich den Hund – natürlich immer kontrolliert und so, dass niemand gefährdet wird – als Belohnung ein solches Verhalten ausführen lasse.
Leuchtende Augen
Wer einmal die Augen eines glücklichen Hundes gesehen hat, der seiner Berufung nachgehen darf, möchte diesen Ausdruck sicher immer wieder sehen.
Komischerweise wundert sich kein Mensch, wenn die Leute mit ihren Goldies und Labis Dummytraining machen. Schließlich sind das doch Apportierhunde! Keiner hat da Bedenken, dass die völlig außer Kontrolle geraten, weil sie ja jetzt ihrer Berufung nachgehen.
Empfehle ich für einen Beagle Fährtenarbeit, sind die meisten Menschen entsetzt! Aber dann gerät der ja völlig außer Kontrolle. Der macht doch sowieso nichts anderes! Das ist für mich allerdings erst recht ein Argument, es doch bitte gezielt und kontrolliert auszuführen. Nichts anderes ist Dummytraining ja auch!
Eigene Erfahrung
Ich hatte eine jagdlich sehr ambitionierte Hündin, mit der ich viele Jahre so ziemlich alles an Training gemacht habe, was man sich nur vorstellen kann. Irgendwann hatte ich davon gelesen, den Hund mit dem zu belohnen, was er in dem Moment möchte und mir gedacht: „OK. Wenn mein Hund beim Anblick von einem Rudel Rehe zu mir zurückkommt, jagen wir gemeinsam hinterher!“
Genau das habe ich dann auch umgesetzt. Natürlich kontrolliert an einer langen Schleppleine. Ihr könnt es glauben oder nicht, aber das Interesse hat allein schon dadurch nachgelassen, dass es plötzlich „erlaubt“ war und der Trieb, der ja sowieso da war, wurde befriedigt. Eine weitere Kleinigkeit hat mich bei diesem Hund sehr viel weiter gebracht. Wenn ich sie von Wild abgerufen habe, durfte sie – anstatt vor mir sitzen zu müssen – hinter von mir gekullerten Leckerli herjagen. Auch hier konnte sie wieder das ausleben, was sie in dem Moment am liebsten tun wollte: Jagen! Aber eben kontrolliert! Die von mir geworfenen Leckerli und nicht den Hasen.
Und das klappt bei jeder Rasse?
Ich arbeite nun schon seit vielen Jahren mit positiver Verstärkung. Eins gebe ich zu: Man braucht manchmal sehr viel Fantasie und muss auch mal verschiedene Dinge ausprobieren, aber ich habe bisher keinen Hund getroffen, bei dem es nicht geklappt hat. Vom ängstlichen Zwergpudel bis hin zum riesigen selbstbewussten Kangal hatte ich viele verschiedene Hunde mit den unterschiedlichsten Eigenschaften im Training. Und meine Erfahrung ist, dass gerade die Rassen, denen Sturheit oder Unerziehbarkeit nachgesagt werden, damit total freudig lernen und mit Begeisterung bei der Sache sind.
Was heißt das für deinen Welpen?
Egal, ob du einen Labrador oder eine Beagle, einen Hüte- oder einen Schoßhund, einen großen oder einen kleinen Hund hast – es liegt an dir, was du daraus machst.
Ich empfehle dir, ausschließlich über positive Verstärkung zu trainieren. Damit baust du eine vertrauensvolle Partnerschaft auf und dein Welpe wird gerne mit dir trainieren und das tun, was du möchtest.
Bleib immer fair! Dein Welpe kann noch gar nicht wissen, was in dieser Menschenwelt alles „richtig“ oder „falsch“ ist. Es ist deine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass dein Welpe sich für das „richtige“ entscheidet, indem du ihm genau das schmackhaft machst.
Leider hast du jetzt keine Ausrede mehr, wenn du einen Dackel oder einen Terrier hast, aber die gute Nachricht ist ja: Du kannst der Welt zeigen, dass man einen solchen Hund genauso gut trainieren kann wie den netten Bordercollie von nebenan. 😉
Welche Rasse oder welchen Mix besitzt du? Was sind seine Vorlieben? Womit bringt er dich zur Verzweiflung? Lass uns an deinen Erfahrungen teilhaben!